Ein Gänsegeier (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Gyps fulvus

Gänsegeier

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AUTOR/IN
Barbara Kiesewetter

Die majestätischen Gänsegeier sind heute bei uns nur noch selten zu sehen. Man kann sie höchstens noch als Sommergäste in den Ostalpen entdecken.

Steckbrief

Wie sehen Gänsegeier aus?

Gänsegeier gehören zur Familie der Habichtartigen. Sie sind mächtige Greifvögel und werden bis zu einem Meter lang. Sie haben eine Flügelspannweite von etwa 250 Zentimeter und wiegen zwischen 6,2 und 8,5 Kilogramm. Damit sind sie größer als ein Adler. Männchen und Weibchen sehen bei den Gänsegeiern gleich aus.

Typisch ist wie bei allen Geiern der nackte Hals, der relativ lang und gänseartig ist – daher kommt auch der Name Gänsegeier.

Der Hals ist von einer Krause aus weißlichen Daunen-Federn umgeben. Die Krause umgibt nur den hinteren Teil des Halses und reicht nicht um den Hals herum.

Der Halsansatz ist nackt und bläulich gefärbt. Das Schwanzende der Gänsegeier ist gerade und besitzt 14 Steuerfedern.

Die Federn sind bräunlich bis rötlichbraun. Der braune Schnabel hat eine gelbe Spitze und gelbe Basis. Die Füße sind bleigrau gefärbt.

Wo leben Gänsegeier?

Gänsegeier sind von Marokko, Algerien und Tunesien über Spanien und Portugal, Italien bis nach Asien verbreitet.

In Europa kommen sie jedoch nur in wenigen Gebieten vor. In Asien leben sie von der nordwestlichen Mongolei bis Nordindien.

Bei uns in Deutschland sind sie höchstens einmal als Sommergäste zwischen Mai und September in den Alpen zu sehen. Den Winter verbringen sie in wärmeren Regionen.

Gänsegeier lieben trockene Regionen im Flachland sowie in den Bergen. Sie leben in Steppen und in Gebirgen.

Berggebiete bevorzugen sie auch deshalb, weil sie beim Fliegen die warmen Aufwinde nutzen, die es vor allem in gebirgigen Regionen und in heißen Steppengebieten gibt.

Welche Gänsegeierarten gibt es?

Nah verwandt mit dem Gänsegeier sind der südafrikanische Fahlgeier, der Schneegeier, der ostafrikanische Sperbergeier, der Indische Geier sowie der Schmalschnabelgeier. Sie alle gehören zur Familie der Habichtartigen.

Wie alte werden Gänsegeier?

Gänsegeier können sehr alt werden: Sie leben bis zu 40 Jahre. Dieses Alter wurde aber nur von Tieren erreicht, die in Gefangenschaft lebten.

Verhalten

Wie leben Gänsegeier?

Gänsegeier sind majestätische Flieger: Zwar können sie nur mit einem Anlauf starten, aber dann schwingen sie sich elegant in die Luft und fliegen im Segelflug, fast ohne die Flügel zu bewegen.

Aus den im Flug fast rechteckig aussehenden Flügeln ragen lange Federn - die so genannten Handschwingen - heraus.

An diesem typischen Flugbild, dem geraden Schwanzende sowie dem im Flug eingezogenen Kopf sind Gänsegeier recht gut zu erkennen

Zur Brutzeit sind Gänsegeier gesellig und leben oft in Kolonien mit bis zu 100 Brutpaaren. Auch außerhalb der Brutzeit haben sie kein eigenes Revier.

Dies liegt auch daran, dass sie auf der Suche nach Nahrung so hoch in der Luft kreisen, dass sich die einzelnen Tiere dabei nicht in die Quere kommen.

Dank ihres hervorragenden Sehvermögens können sie auch aus sehr großer Höhe ihre Beute erkennen.

Es gibt auch Hinweise, dass Gänsegeier tote Tiere aus großer Entfernung riechen können. Dann stürzen sie sich mit angelegten Flügeln auf die Beute.

Hat ein Gänsegeier ein totes Tier entdeckt, werden weitere Geier von der Beute angelockt. Dabei kommt es auch zu Streitereien um das Futter.

Freunde und Feinde von Gänsegeiern

Gänsegeier wurden früher sehr stark vom Menschen verfolgt, weil man glaubte, dass sie Jagd auf das Vieh auf der Weide machen - was jedoch nicht richtig ist. Außerdem starben viel Geier an vergifteten Ködern, die eigentlich für Wölfe gedacht waren.

Wie vermehren sich Gänsegeier?

Gänsegeier sind Felsenbrüter. Sie bauen ihr Nest im Gebirge an kleinen Vorsprüngen und in Höhlen und Nischen in steilen Felswänden. Die Horste haben einen Durchmesser von 60 Zentimeter bis zu einem Meter und werden mit Gras ausgepolstert.

Männchen und Weibchen leben in lebenslanger Einehe miteinander. Vor der Paarung umwirbt das Männchen sein Weibchen mit einem merkwürdigen Balztanz auf dem Boden. Brutzeit ist Anfang Februar bis März. Meist legt ein Gänsegeier-Weibchen nur ein einziges Ei. Es ist weiß gefärbt und trägt einige rostfarbene Flecken am Ende. Nur ganz selten legt ein Weibchen auch einmal zwei Eier.

Bei Gänsegeiern herrscht Arbeitsteilung: Männchen und Weibchen beteiligen sich gemeinsam am Nestbau. Es kümmern sich auch beide um das Junge, das ca. 54 Tage nach der Eiablage schlüpft.

Gänsegeier sind Nesthocker. Das frisch geschlüpfte Junge bleibt noch etwa 115 Tage im Nest und wird dort von den Eltern versorgt.

Im Juli oder August verlassen die jungen Geier dann das Nest. Erst nach vier bis fünf Jahren hat sich das Gefieder der jungen Gänsegeier so umgefärbt, dass sie genauso aussehen wie ihre Eltern. Geschlechtsreif werden sie erst mit vier bis sechs Jahren.

Wie verständigen sich Gänsegeier untereinander?

Gänsegeier sind normalerweise sehr still. Nur zur Brutzeit lassen sie krächzende, grunzende und pfeifende Laute hören.

Pflege

Was fressen Gänsegeier?

Gänsegeier sind reine Aasfresser. Sie ernähren sich vor allem von mittelgroßen Säugetieren wie Ziegen oder Hasen.

Hauptsächlich fressen sie das Fleisch und die Eingeweiden toter Weidetiere, die z. B. in den Bergen abgestürzt sind. Knochen und Abfälle überlassen sie anderen Geiern.

Da es bei uns seit dem letzten Jahrhundert immer weniger Weidevieh gibt und die Tiere fast nur im Stall gehalten werden, ist das Nahrungsangebot sehr viel geringer geworden und die Geier finden immer weniger zu fressen.

Neben der Verfolgung durch den Menschen ist dies ein wichtiger Grund dafür, dass Gänsegeier heute in Europa so selten sind.

Es wurde übrigens noch nie beobachtet, dass Gänsegeier Jagd auf lebende Tiere machen.

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